By Matthias Von Imhoff

Mit sechs Jahren begann er ins « Horn » zu blasen, heute ist Matthieu Michel aus Courtepin einer der wenigen Jazzmusiker, die nur von der Musik leben. Als er sich vor fünf Jahren, mit neunzehn, dazu entschloss, hatte er gerade eine Schreinerlehre hinter sich. Stunden nahm er nur wenige am Konservatorium und bei Americo Belloto, einem Bigbandlaeder und Trompeter, in Wien und Berlin, wo er sich für längere Zeit aufhielt. Der gefragte Trompeter spielt heute in einem guten Dutzend kleineren unf grösseren Bands in Zürich, Zug, Bern, Lausanne unf Genf und gibt einige wenige Stunden am Freiburger Konservatorium. In einem Interview mit den FN beschreibt er anhand eigener Erfahrungen die gegenwärtige Kulturelle Situation und die Chancen für junge Musiker in Freiburg.

Wie kannst Du auf die Idee, nach Berlin zu reisen ? Bist Du dort in eine Schuhle gegangen, hast Du Konzerte gegeben ?

Nein, ich habe meine Koffer gepackt, bin einfach mal hin und habe versucht, mich durchzuschlagen. Die ganze Geschichte war der Versuch, sich in einer wildfremden Stadt, wo man niemanden kennt, einzuleben. Es ist schwierig, in dieser Grossstadt zu leben. Aber die Musiker dort sind grossartig. Als ich hinkam, klapperte ich ein Lokal nach dem anderen ab, lernte sie so kennen und trat mit der Zeit immer mehr auf, da verschiedene Big Bands mich engagierten. Es war auch einfach etwas neues, eine Erfahrung, etwas ganz unbekanntes für mich.

Bist Du nur deswegen weg, oder muss man als Musiker weg von Freiburg, von der Schweiz ?

Beides triff zu ! Einerseits ist es gut und nicht nur für Musik -, wegzugehen, um zu lernen, wie man sich alleine durchschlägt ; anderseits ist es schon irgendwie notwendig ; in dr kleinen Schweiz gibt es keine Grossstadt. Ich würde die Erfahrung gerne wiederholen, auf andere Weise, aber man vergisst auch die Arbeit, die es hier zu tun gibt.

Du bist ja Fulltime-Musiker, arbeitest sonst nichts neben der Musik Lebt man gut davon in Freiburg, kann man hier überhaupt davon leben ?

Nein, in Freiburg gibt es praktisch nichts, zu wenige Orte zum Auftreten. Die einzige Art hier von die Musik zu leben ist, Unterricht zu erteilen.

Schaust Du deshalb eher nach Lausanne oder in die Deutschweiz ?


Als ich begann, versuchrte ich einfach, das Maximum an Jazz zu machen. Das begann in Bern, als ich hörte, dass sie einen Leadtrompeter in der Jazzschuhle-Bigband suchen. Ich meldete mich – damals 19 jährig – an, und da sie sonst niemand zur Verfügung hatten, nahmen sie mich. Ich lernte dadurch Musiker kennen, die mir später andere Engagements anboten.
In Lausanne hate ich schon mit 17 jahren erste Kontakte, Freunde. Dadurch erweiterte sich langsam der Horizont, Schritt für Schritt knüpften sich bei den vielen Konzerten Bekanntschaften an.

Und wieviele Konzerte pro Woche musst Du geben, um davon leben zu können ? Findest Du in der Schweiz genug Engagements ?

In der Woche muss ich mindestens zwei Konzerte geben. Das lässt sich in der Schweiz schon machen, aber man muss in vielen Gruppen gleichzeitig spielen.
Eigentlich ist das Lohnniveau in der Schweiz hoch, in den USA hungern berühmte Leute, wie zum Beispiel Woody Shaw. Sie kommen deshalb oft oder gar für immer nach Europa. Aber es gibt hier kein Profi-Jazzorchester und nirgends Clubs mit längerdauernden Anstellungen wie in Paris oder Berlin. Ausserdem wechselt fast jeder neue Club bald einmal zu Funk oder Rockmusik, wovon es sich besser leben lässt. Jetz gerade ist auch südamerikanische Musik in, solche Musiker leben zur Zeit gut.
Ein in Freiburg wohnhafter Musiker hat den Nachteil, ständig Reisekosten zahlen zu müssen…anderseits ist die Lage gut, wenn man sowohl in der Nordschweiz wie auch in der Westschweiz tätig ist. Ein Walliser oder ein Tessiner hat da ganz andere Probleme, er kann nicht in seiner Heimat bleiben.
Auf jeden Fall ist es kein gewinnbringender Beruf ; bis man einmal bekannt ist, kostet es nur ! Aber wer die Musik liebt, dem macht das kaum was aus.

Wie findest Du das Kulturelle Leben in Freiburg, wird genug gemacht, oder solte der Kanton, die Stadt mehr bieten ?

Ich finde, es ist gar nicht so schlecht, seit rund zwei Jahren gibt es Fortschritte. Zum Beispiel regelmässige Konzerte, ob Jazz oder Rock. Die « Spirale » hat viel dazu beigetragen, dass an jedem Wochenende was läuft. Das Kulturelle Geschehen ist also nicht schlecht. Aber klar, ein Freiburger Musiker darf sein Glück nicht nur hier suchen, dafür ist viel zu wenig los. Das liegt auch an der Grösse des Stadt, es braucht ja Zuschauer.

Und im Vergleich zu anderen Städten ?

In Lausanne zum Beispiel gibt es viele Musiker, die sich zusammenschliessen und die Gruppen viel organisieren. Es wird mehr unternommen, gemeinsam produziert. Das fehlt in Freiburg, die Leute gruppieren sich zu wenig, alle arbeiten und spielen alleine….das lässt sich auch am Konservatorium erkennen. Schade, denn eigentlich hat es viele Musiker hier.

Wie ist die Beziehung zwischen der Deutsch und der Welschschweiz, wo ist mehr los ? Und innerhalb Freiburg, wieso hört man weniger von den Senslern, ist Jazz hier eine französische Sache ?

Es laufen beidseitig gute Dinge, die Deutschweizer sind in der Regel etwas aktiver, sie haben mehr Festivals. Aber es gibt auf beiden Seiten Positives. Nur existieren kaum gegenseitige Beziehungen, man kennt sich nicht, leider. Weniger Musiker im Sensebezirk ? Ich weiss es nicht, ausser Michel Poffet, den Bassisten, kenne ich keine. Sie ziehen eher nach Bern, die Swiss Jazz school dort ist ja gut.

Im Vergleich zur Situation im Jazz, hat es ein Klassischer Musiker aus dieser Gegend einfacher ?


Die meinsten gehen einen anderen Weg. Sie studierten bis zum Diplompapier, und damit basta, sich lassen sich nieder am Konservatorium. Die anderen hingegen, die mehr wollen, verlassen Freiburg meinsten Richtung Deutschschwez, da hier kein Berufsorchester vorhanden ist. Ihre Situation ähnelt in dem Sinn der unseren.

Letzte Frage : was rätst Du einem jungen Musiker zu Beginn seiner « Karriere », wie soll er üben, worauf soll er besonders achten ?


Das wichtigste ; soviel wie möglich mit anderen Spielen, Konzerte besuchen, Musiker kennenlernen. Und nicht zu stilversetz sein, offen bleiben und die Arbeit ernstnehmen, auch wenn es weniger angenehme Stunden gibt. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass es besser ist, mit einer guten Gruppe Stücke und Stile zu spielen, die einem etwas weniger gefallen, als Jazz mit Musikern, die nicht swingen.
Zum üben kann ich nicht zuviel sagen, ich komme im Stress kaum dazu, denn die vielen Kilometer sind ermüdend. Vor Jahren, ganz am Anfang, habe ich fast ein Jahr lang fünf Stunden am Tag geübt. Das ist nicht schlecht, für die Technik und um zu wiessen, wie weit man will. Es ist aber auch nicht das Beste, man vergisst die Musik selber überdies. Denn das Wichtigste an der Musik ist die Persönlichkeit, die Spontaneität ; sie ist wichtiger als all die Technik und die Theorie, die vielerorts überbewertet werden .

Matthieu’s erste eigene LP « Blue Light »
Frische, gefällige Musik


Ende letzten Jahres erschien « Blue Light », das Resultat einer Kurzen Zusammenarbeit mit den fünf, vor allem in Berlin wirkenden Musikern Danny Hayes, Trompete ; Yiye Wilson De Oliveira, Saxophon ; Walter Norris, Klavier ; Manfred Bründl, Bass und Alexandro Sanguinetti, Schlagzeug. Die Stücke, zum Teil von den Schweizer Musikern Andy Harder und Markus Plattner arrangiert, wurden im Mai 1986 innerhalb zweier Tage aufgenommen. Es ist die erste LP unter Michels eigenem Namen.
Zwei Trompeter, das ist ungewöhnlich…doch Michels unverkennbarer, trockener und verrissener Stil ist leicht vom lauffreudigem, weniger aufmüpfigen Spiel Hayes zu unterscheiden. Wieso aber zwei Trompeter, wie kam er zu der Gruppe ? « Das ergab sich einfach so, durch den einen lernt man die anderen kennen », meinte Michel, der übrigens lange keine Noten lesen konnte – heute noch spielt er nur die Themen ab Blatt, die Improvisation macht er ganz nach dem Ohr, « denn die Ohren sind wichtiger als der Kopf in der Musik ».
Ob die Aufnahmen eine gute Erfahrung war ? « Sichrlich, gut für mich, gut für die Bekanntschaft mit anderen Musikern. Aber es ging vielleicht etwas schnell, erst eine Woche zuvor war mir bekannt, wer alles mitspielen sollte, und zum Üben kamen wie erst einen Tag vor der Aufnahmen ». Es sei ja nicht das erste Mal, dass er an einer Platte mitmache, aber für die nächste würde er sich gerne mehr Zeit nehmen.
Von dieser Hast merkt der Hörer nichts, die Musik wirkt frisch und lebendig. Aber nur fünf Stücke zwingen die hochstehenden Musiker zu langen Solis…shade, denn Michel schreibt sehr gute Kompositionen, leicht verständlich und doch anspruchswoll, eine Mischung aus Be-Bop und Rockigerem. Eigentlich schreibe er aber eher selten und nur für sich, meinte der Trompeter.

Und wie kommt er zu den Titeln Bump ; Collin’s waltz ; I didn’t know that part of you… ?
« In Bump kommt im Thema tatsächlich eine Synkope vor, die wie eine Beule in der Strasse die Fahrenden, hier die Hörer, aus dem Gleichgewicht wirft. Andere Stücke benenne ich irgendwie, wie es mir grad einfällt ». Die Platte ist deswegen nicht minder durchdacht und hörenswert.

 



 
 
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